Die russische Invasion in Ukraine am 24. Februar 2022 hat eine Panik auf den globalen Finanzmärkten ausgelöst. Der Krieg hat insbesondere das soziale und wirtschaftliche Zusammenleben beinahe in der ganzen Welt beeinflusst. Eine drastische Preisanpassung erfolgte auf allen Weltmärkten und die Wertpapierbörse in Warschau (GPW) hat die schwächste Session während ihrer Tätigkeit verzeichnet. WIG20 ist um 10,9 % gefallen, was das schlechteste Ergebnis in der Geschichte der GPW zugleich darstellt. Größere Rückgänge gab es nur in 1997 und 2020. Zu einem richtigen Zusammenbruch ist es dagegen auf der Wertpapierbörse in Moskau gekommen, wo der RTS-Aktienindex momentan sogar 48% verloren hat, um zum Schluss des Tages den Wert von minus 33% wieder zu erzielen. Die am Donnerstag abgehaltene Börsensession wird mit Sicherheit zu einem der „schwarzästen Tagen“ auf den Kapitalmärkten in der Geschichte zählen. Nichtdestotrotz wird der Krieg in Ukraine einen realen Einfluss auf die Gestaltung von wirtschaftlichen Parametern in Polen haben.
Die meisten damit verbundenen Probleme für die polnische Wirtschaft stellen sich wie folgt dar:
- Reduktion der Wachstumsdynamik von BIP (Bruttoinlandsprodukt)
- teure und weniger zugängliche Rohstoffe
- galoppierende Inflation und weitere Erhöhung von Zinssatz durch den Rat für Geldpolitik (RPP)
- Zufluss von ukrainischer Bevölkerung nach Polen
- erhöhte Haushaltsausgaben und Geldmittelzustrom aus EU
- Erhöhung der Staatsverschuldung
- Wechselkursschwankungen
- geringer Anteil des Handelsaustauschs von Polen mit den kriegsführenden Ländern
- mögliche Rezession in den USA
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BNP Paribas zufolge sei mit einer Senkung der BIP-Wachstumsdynamik um ca. 1 Prozentpunkt in Polen zu rechnen und es wird das Niveau von 3,5% erreicht[1]. Wegen der zunehmenden Unsicherheit im Hinblick auf die wirtschaftlichen Folgen des Krieges bestünde ein Risiko, dass das wirtschaftliche Wachstum in diesem Jahr niedriger sein kann, insbesondere werden die Aktivitäten in der EURO-Zone abschwächen. Zugleich ist es damit zu rechnen, dass die steigenden Preise für Rohstoffe, Wechselkursschwächungen und die Störungen in den Versorgungsketten eine hohe Inflation fördern.
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Eine rasche Verteuerung von Rohstoffen, darunter insbesondere von Erdöl, ist zu erwarten, die bereits die Erhöhung von Kraftstoffpreisen auf den Tankstellen zur Folge hatte. Sollten die hohen Preise für Rohstoffe über einen längeren Zeitraum anhalten, wird die Kaufkraft von Haushalten darunter leiden, was zu einer Herabsenkung des Wirtschaftswachstums in diesem Jahr führen kann. Der sinkende Export nach Ukraine und Russland wird sich jedoch in bescheidenem Umfang auf die polnische Wirtschaft auswirken. Der Anteil jeden dieses Landes an dem polnischen Auslandsverkauf ist nicht besonders hoch und lag im vorigen Jahr bei ca. 2 – 3%. Eventuell größere Turbulenzen können dagegen im Importbereich entstehen. Polen bleibt nach wie vor von Energieprodukten aus Russland abhängig, obwohl die für das Ende dieses Jahres geplante Inbetriebnahme des Rohrleitungsnetzes „Baltic Pipe“, das unser Land mit den Gasfeldern in der Nordsee verbindet, die Energiesicherheit erhöht. Die Analytiker machen jedoch darauf aufmerksam, dass die hohen Preise für die Energieprodukte und die Schwierigkeiten mit ihrer Gewinnung Polen nicht nur mittelbar, sondern unmittelbar durch die sinkenden wirtschaftlichen Aktivitäten in der Europäischen Union treffen können, die zu dem wichtigsten Wirtschaftspartner für Polen zählt und ca. 75 % des polnischen Exports vertritt.
Das Erdgas aus Russland deckt ca. 40% des Verbrauchs in der Europäischen Union. Die Staats- und Regierungschefs der EU haben unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass die Einkäufe aus der Richtung Russland zunehmend eingeschränkt werden. Es ist von dem Rückgang des Imports um sogar 65% bereits in diesem Kalenderjahr die Rede. Von der geopolitischen Warte her scheint das eine richtige Entscheidung, obwohl sie ökonomische Konsequenzen nach sich ziehen wird. Teures Erdgas wird die Betriebskosten der europäischen Unternehmen beeinflussen und die Verbrauchernachfrage zunehmend verringern.
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Das grundlegende Probleme der polnischen Wirtschaft bleibt nach wie vor eine hohe Inflation. Das Zentrale Statistikamt hat die vorläufigen für den 1. April 2022 dargelegten Daten nach oben korrigiert[2]. VIP–Inflation in Polen erreichte im März 2022 zum ersten Mal im XXI Jahrhundert ein zweistelliges Niveau , d.h. 11% im Vergleich mit dem analogen Monat in 2021. Dies war zugleich der höchste Messwert der VIP -Inflation seit September 2000. Monatlich sind die Preise um beinahe 3,3 % gestiegen, was die stärkste monatliche Dynamik seit Januar 1996 bildete[3]. Dieses Resultat war um 0,1 Prozentpunkte höher als die ursprünglich am 1. April 2022 veröffentlichte Schätzung.
Źródło https://www.bankier.pl/wiadomosc/Inflacja-w-Polsce-w-marcu-2022-finalne-dane-8319560.html
(VIP–Inflation in Polen /in %, im Jahresvergleich)
Auf der einen Seite erhöhen die Inflationen die steigenden Preise für Kraftstoffe, auf der anderen Seite wachsen die Preise für Lebensmittel. Russland und Ukraine bilden zusammen ¼ des Exports von Weizen sowie von anderen Getreidearten und Ölsaaten. Wenn der Krieg in Ukraine andauert und zugleich Sanktionen auf Russland auferlegt werden, dann wird das Angebot für diese Güter naturgemäß niedriger sein. Aber dort, wo das Angebot sinkt, steigen die Preise. Das Angebot ist von der geopolitischen Lage stark abhängig und davon, wo die Preise für Rosthoffe sich erneut stabilisieren. Um die Inflationsprojektion auszubremsen und die Situation der polnischen Währung auf dem Markt zu verbessern, erhöht der Rat für Geldpolitik (RPP) die Leitzinsen. Während der April-Tagung hat RPR die Erhöhung des Referenzzinssatzes von 3,50% bis 4,50% beschlossen. Ähnlichen Änderungen unterlagen auch die Zinssätze der polnischen Nationalbank (NBP). Der Anstieg um 100 Prozentpunkte war eine recht große Überraschung, denn man hat einen Anstieg um 50 Prozentpunkte erwartet.[4]. Dies ist die 7 in Folge und zugleich die bedeutsamste Erhöhung von Zinssätzen in Polen. In vorigen Monaten hat RPP den „Geldpreis“ um 40 Prozentpunkte im Oktober, um 75 Prozentpunkt im November, um 50 Prozentpunkt in Dezember, Januar und Februar und um 75 Prozentpunkte in März. Der gegenwärtige Gesamtzyklus ist der am meisten aggressivste von allen in diesem Jahrhundert. Der Anstieg des Referenzzinssatzes von NBP bis zu 4,5 % bedeutet, dass dieser am höchsten seit Dezember 2012 ist. Wenn man berücksichtigt, dass die Inflation weiter zweistellige Wachstumsrate erreicht, kann damit gerechnet werden, dass RPP den Referenzzinssatz von NBP noch um mindestens 5,5 – 6,0% erhöht. Ein Risiko für diese Prognose hat die Tendenz eher nach oben. Eine geringere Intensivierungsskala wäre möglich, wenn die wirtschaftliche Aktivität drastisch sinkt.
[1] https://businessinsider.com.pl/gospodarka/bnp-paribas-szacuje-wplyw-wojny-na-polska-gospodarke/7ykzzd5
[2] https://www.bankier.pl/wiadomosc/Inflacja-w-Polsce-w-marcu-2022-finalne-dane-8319560.html
[3]Am meisten sind die Preise für die Lebensmittel und alkoholfreie Getränke gestiegen, die um 9,2% teuer als im vorigen Jahr waren. Unter den einzelnen Waren und Dienstleistungen sind am meisten die Preise für Brennholz (um 61,5%), für Gas (49,2 %) sowie Brennstoffe: LPG um 35,5%, Gasöl um 41,4%, Benzin um 29,2 %. Im Bereich des Transportes kam es zum Preisanstieg um 24,1%. Die Nutzungskosten von Wohnungen und Häusern sowie Energieträges waren um 17,7% höher als im März 2021. Haushaltskosten sind im Durchschnitt um ca. 7,8% gestiegen. Die Alkoholgetränke und Tabakwaren verteuerten sich um 5,3%, Kultur und Freizeit um 7,4%, Bildungswesen um 6,0 % und Restaurants und Hotels um fast 12,7%. Nach oben sind auch die Preise für diese Güter gegangen, die in den letzten Jahren nach dem Hauptamt für Statistik (GUS) billiger waren: Kommunikation (3%) und Kleidung und Schuhe (3,3%). Die medizinischen Dienstleistungen und Arzneimittel sind um durchschnittlich 6% gestiegen und andere Dienstleistungen um 6,2%.
https://www.bankier.pl/wiadomosc/Inflacja-w-Polsce-w-marcu-2022-finalne-dane-8319560.html
[4] RPP hat nur zweimal in seiner über 20 jährigen Geschichte den „Geldpreis“ erhöht, im September 2000 (um 1,5 Prozentpunkte) und im November 1999 (um 2,5 Prozentpunkte), wobei der Referenzzinssatz damals nur ein paar Prozent betragen hat: https://www.bankier.pl/wiadomosc/RPP-gwaltownie-podnosi-stopy-procentowe-8313559.html